Challenge Records Primal Colors
„Primal Colors“, komponiert von unserem langjährigen Wegbegleiter Jim McNeely, ist eine außergewöhnliche Zusammenarbeit zwischen dem hr-Sinfonieorchester und der hr-Bigband. Das Album ist eine musikalische Interpretation von Farben - sowohl visuell als auch emotional -, die in einer Verschmelzung von Jazz und klassischer Orchestrierung erkundet werden.
Inspiriert vom Konzept der Primärfarben erweitert McNeely die Farbpalette um Schwarz und Weiß und vertieft sich in die symbolischen und kulturellen Bedeutungen der einzelnen Farbtöne. Das Album umfasst fünf Hauptsätze, die Schwarz, Gelb, Rot, Blau und Weiß repräsentieren, unterbrochen von Zwischenspielen, die als Brücken zwischen den musikalischen Schattierungen dienen.
Jeder Satz besteht aus komplexen Kompositionen, die die einzigartigen Identitäten des Sinfonieorchesters und des Jazz-Ensembles miteinander verschmelzen und dabei eine Fusion zu einem einzigen Stil vermeiden. Stattdessen kontrastiert McNeely meisterhaft ihre „musikalischen Dialekte“ und schafft dynamische Interaktionen, die von harmonischer Zusammenarbeit bis zu dramatischen Konflikten reichen. Solisten aus beiden Ensembles, darunter der Sopransaxophonist Heinz-Dieter Sauerborn, der Flügelhornist Axel Schlosser und der Gitarrist Martin Scales, fügen lebendige, persönliche Interpretationen hinzu, die die musikalische Erzählung bereichern.
Die Kompositionen zeigen verschiedene Einflüsse wie indische Ragas, klassische Modi und Blues-Traditionen und betonen gleichzeitig McNeelys abstrakte Herangehensweise, um die Essenz der Farbe einzufangen. Vom dunklen und geheimnisvollen „Black“ bis zum strahlenden und umfassenden „White“ ist jedes Stück reich an vielschichtiger Orchestrierung und emotionaler Tiefe und weckt sowohl visuelle als auch auditive Assoziationen.
Nach traditioneller Farbenlehre sind Rot, Gelb und Blau die drei Primärfarben, aus denen man alle anderen Farben mischen kann. Jim McNeely hat seinen Kompositionen einen leicht abweichenden Namen gegeben: „Primal Colors“ spielt mit Begriffen wie „Urschrei“ oder „Urgesellschaft“ – oder in anderen Worten, ein tief verankerter menschlicher Zustand. Daher suggeriert er auf „Primal Colors“ eine abstraktere Definition von Farbe. Farben machen die Welt nicht nur leuchtender, sondern sie sind fest in unserer Vorstellungswelt fixiert und so gut wie untrennbar mit bestimmten Bedeutungen verknüpft. Manche Farben lösen zuverlässig gleichbleibende Reaktionen aus. Redewendungen zeigen, was wir unterbewusst mit Farben verbinden. In verschiedenen Kulturen und Sprachen gibt es dabei Überschneidungen und Unterschiede. Rot steht weltweit für eine Warnung, Gelb wird im Englischen und Deutschen mit Neid verknüpft. Blau dagegen hat im Englischen und Deutschen höchst unterschiedliche Bedeutungen.
Der Hessische Rundfunk hat „Primal Colors“ in Auftrag gegeben. Das hr-Sinfonieorchester und die hr-Bigband haben die Suite am 15. März 2007 uraufgeführt. Der Konzerttitel lautete „Klangbilder zwischen Klassik und Jazz“. McNeely hatte bereits Erfahrung damit, Bilder in Musik zu übersetzen. 2006 konzipierte er aus der Arbeit von Maler und Grafiker Paul Klee Musik für Jazz und Orchester. Allerdings basieren die neuen Stücke nicht auf Bildern oder Grafiken. Statt einzelner Werke befasste er sich mit der reinen Qualität unserer visuellen Wahrnehmung.
McNeely betrachtet die Farben nicht als eindimensionale Sache, sondern nimmt ihren empfundenen Charakter und ihre linguistischen und symbolischen Assoziationen mit auf. Entsprechend mehrdimensional ist die Musik. Abhängig davon, wie expressiv sie sein sollen, werden die musikalischen Gedanken variiert und weiterentwickelt. Das Timbre der individuellen Instrumente ist ebenso wichtig wie die Gesamtheit der beiden sorgfältig orchestrierten Ensembles. Dieses Zusammentreffen von Jazz und Sinfonie erschafft neue, strahlende Funken und McNeely hat eine sorgfältige Auswahl getroffen, welche Musiker der Bigband die Jazz-Solos spielen, um perfekt mit den Werten der Farben zu harmonieren.
Gleichzeitig sind die „Primal Colors“ offen für Interpretation. Jim sagte: „Ich vertiefte mich in den Geist der Farben und nahm sie als Ausgangspunkt, um die Musik zu schreiben.“ Die Referenz auf den visuellen Aspekt funktioniert als Spiel mit Assoziationen, als Bereicherung der musikalischen Erfahrung, und soll kein perfektes Abbild der jeweiligen Farben sein.
Ebenso wichtig für den Komponisten, wenn sich sogar wichtiger als die Beziehung zu den nicht-musikalischen Aspekten, sind die Beziehungen innerhalb der Musik. „Sogar in meinen Big Band Kompositionen denke ich sehr viel über die Beziehungen zwischen musikalischen Ideen oder zwischen Solisten und Band nach. Und in ‚Primal Colors“ gab eine weitere große Beziehung, die ich einarbeiten musste. Es ist die Beziehung zwischen Orchester und Big Band.“ Jedes der beiden Ensembles in „Primal Colors“ kann seinen eigenen Charakter behalten. Klang, Rhythmus und Phrasierung werden zu je einem eigenen musikalischen Dialekt, den McNeely respektiert. „Ich habe nicht versucht, das Orchester wie eine Big Band swingen zu lassen, oder die Big Band den Ausdruck eines Sinfonieorchesters annehmen zu lassen.“ Von keinem der Musiker*innen des Sinfonieorchesters wurde erwartet, ein improvisiertes Jazz-Solo zu spielen, und kein Musiker der Big Band wurde gezwungen, die typisch klassische Reinheit der Töne zu produzieren. Aber die Gelegenheiten, die sich aus dem Zusammenspiel der beiden Ensembles ergeben, sind umso vielfältiger.