In+Out Records Colin Towns & hr-Bigband: "Visions of Miles"
"The Electric Period of Miles Davis" lautet der Untertitel der neuen CD. Miles Davis' Schaffen der späten 60er und frühen 70er Jahre, als Rockgrooves und elektrische Instrumente in den Jazz Einzug hielten, wurde von Colin Towns in Arrangements für die hr-Bigband gefasst.
"Selten klang eine öffentlich-rechtliche Rundfunk-Big-Band so wild wie hier", meint das Magazin "Jazzthing". Das war durchaus so gewollt, ging es doch um die Periode, in der Miles Davis mit Alben von "In A Silent Way" bis "On The Corner" die Elektrifizierung des Jazz einleitete und damit dem Jazzrock den Weg bereitete.
Mit dieser Stilrichtung hatte sich die hr-Bigband schon in ihrem Tribute an das Mahavishnu Orchestra erfolgreich auseinander gesetzt. Verantwortlich für die Arrangements zeichnete damals der britische Komponist Colin Towns. "Visions of Miles" ist eine Art Fortsetzung dieser Zusammenarbeit, wie Bigband-Manager Olaf Stötzler erklärt:
"Wir hatten dieses erfolgreiche Mahavishnu-Orchestra-Projekt. Ich suchte deshalb nach einem Nachfolgeprojekt für die Zusammenarbeit mit Colin. Ich dachte, vielleicht muss man gar nicht so weit weg gehen. Vielleicht können wir ja dasselbe wagen mit der Musik von Miles Davis. Davis hat ja ganz wichtige Impulse gegeben, aus denen dann Bands wie Weather Report oder eben auch das Mahavishnu Orchestra entstanden sind. Am Anfang erschien mir das als eine verrückte Idee, denn das Thema ist eigentlich sakrosankt, jedenfalls für eine Big Band. Ich wusste, wenn das einer schafft, dann Colin. Also hab ich mir ein Herz gefasst und ihn angerufen. Er hat begeistert reagiert und gesagt, es sei eine riesige Herausforderung, aber das möchte er machen."
Colin Towns sagte zu und sah sich vor die Herausforderung gestellt, eine Musik, die von der Spontaneität lebt, in Arrangements zu gießen. Er fand einen originellen Lösungsansatz für dieses Problem:
"Ich nahm das Rhythmusgerüst der Stücke neu auf und improvisierte dann dazu auf dem Keyboard mit Saxophon-, Posaunen- und Trompetensounds. Diese improviserten Linien hab ich dann später transkribiert und zur Grundlage meiner Bläserarrangements gemacht. Bei der Ausführung müssen die Noten wieder spontan klingen und nicht notiert. Die Musiker müssen sozusagen unexakt spielen, was in einer professionelle Bigband normalerweise verpönt ist. Hier ist das aber entscheidend, weil das Ganze sonst mehr nach Count Basie klingt als nach Miles Davis."
Auch bei der Auswahl der zu bearbeitenden Titel ging Die Aufnahmen für die CD kamen am 6. Juni 2008 bei einem Live-Konzert im hr-Sendesaal zustande. Dabei war die hr-Bigband um den Schlagzeuger Wolfgang Haffner, den Keyboarder Vladislav Sendecki und den Perkussionisten Farouk Gomati verstärkt.
Pressestimmen
"Sowohl die vom gnadenlosen Funk ("Wili") und afrikanischen Rhythmen ("Black Satin") gezeichneten Kompositionen, als auch die klassischen Soundgebirge ("He Loved Him Madly") oder späten beinahe Pop-Hymnen ("Hannibal" und "Tutu") bekommen eine neue musikalische Zuordnung ... Für die hr-Bigband ist diese Aufnahme ein absoluter Glücksfall. Das Orchester kann in "Visions of Miles" seine enorme Disziplin, seine gruppendynamische Virtuosität und seine solistische Klasse beeindruckend unter Beweis stellen."
(Jazzpodium 09/2009)
"Selten klang eine öffentlich-rechtliche Rundfunk-Big-Band so wild wie hier."
(Jazzthing 40/2009)
"Eine echte Herausforderung für alle Beteiligten, die blendend gemeistert wurde."
(Jazzthetik 9/2009)
Wie soll man eine Musik, die aus einfachen, nur flüchtig festgelegten Melodien, Riffs, Strukturen und individuellen sowie kollektiven Improvisationen besteht, so fixieren, dass ein 18köpfiges Ensemble sie umsetzen kann. Doch dem britischen Dirigenten und Arrangeur Colin Towns gelingt das Kunststück. Sein orchestraler Mix überzeugt, etliche hervorragende Solisten tragen das Ihre zur prächtigen Live-Aufnahme aus dem hr-Sendesaal bei.
(Neue Zürcher Zeitung, 08.11.09)
Pressestimmen englisch
Towns is a brilliant deployer of a big jazz band’s textural variety and raw power, and he combines it with the movie-composer’s sense of drama. The UK's Julian Arguelles is among an A-team of soloists, but the dominant instrument is the entire band. The unnervingly hypnotic Spanish Key surfaces in wold, slewing brass fanfares and racing percussion patterns; Back Seat Betty soars on the searing trumpet sound of Axel Schlosser; and the rhythm section triumphantly handles everything from the lazy shuffle of Agartha Prelude to the breathless conga shuffle of Aida. It must have been a stunning show to witness.
(John Fordham, The Guardian 20.11.09, 4 stars)
Towns has already created big-band Mahavishnu Orchestra and Frank Zappa; now he completes a trilogy of jazz-rock heavyweights with electric-era Miles Davis. This is the hardest job so far – Miles's arrangements were often skeletal and raw, and relentless pieces sucht as Moja (Part 1) defy much orchestration. Still Agharta acquires a new bounce and delicate readings of In a Silent Way and My Man’s Gone Now, plus a muscular Tutu, make this an absorbing set.
(John Bungey, The Times, 5 stars)
Towns' writing is highly imaginative, even on pieces of absolute music, such as 'Bitches Brew' … There are some fine soloists in the band who are all given their head by Towns, lifted by a powerful rhythm section that gives this music bite, inspired by Wolfgang Haffner's drumming.
(Stuart Nicholson, Jazzwise Nov. 09, 3 stars)
Davis's 1970s and 1980s work presents a special challenge since it contains so few actual melodies. Fortunately, Towns is a master of texture and pacing, and he and his top-notch players have together crafted a pulsating suite that is at once thoroughly Miles-ish and highly original. It’s a great advert for both Davis and contemporary big band.
(Robert Shore, Metro 27.11.09)