Der Hörverlag Leb wohl, Berlin
"I'm a camera. I am a camera with its shutter open." Wie durch ein Kameraobjektiv nimmt Christopher Isherwood die letzten Tage vor der Machtergreifung in Berlin wahr. Sein genaues Zeitporträt ist ein bitter-süßer Abgesang auf eine untergehende Welt: das weltoffene, lebenshungrige, sexuell freizügige, dekadente Berlin der 1920er und beginnenden 1930er Jahre.
Isherwood porträtiert in seinen blitzlichtartigen Gesellschaftsminiaturen Menschen, die er in und um die Pension des schrulligen Fräulein Schröder trifft: junge Männer auf der Suche nach Lebens- und Liebesglück, Künstlerinnen auf Abwegen, unter ihnen die verrückt leichtsinnige Sally Bowles, sowie eine jüdische Familie aus der Berliner Hautevolee, die in ihrem Lebenshunger die Augen vor dem nahenden Unglück verschließt. Denn die Zeichen sind nicht mehr zu übersehen, die Nazis gewinnen mehr und mehr Zustimmung in der Bevölkerung und im politischen Machtzentrum der fragilen Weimarer Republik.
Die geschickte Bearbeitung von Heinz Sommer (zuletzt u.a. Homo Faber - ebenfalls mit Musik von Jörg Achim Keller und der hr-Bigband - und Tonio Kröger) verwebt dieses Kaleidoskop mit Zeitdokumenten: Ausschnitten aus Filmtonspuren, Reden und Zeitungsmeldungen. So wird das sehr persönliche Gesellschaftspanorama Isherwoods um eine politisch-historische Dimension erweitert.
Dazu hat Jörg Achim Keller zusammen mit der hr-Bigband eine musikalische Suite komponiert und aufgenommen, die vom zeitgenössischen Schlager über Hot Jazz-Stilistiken bis zu Neu-tönendem diesen Tanz auf dem Vulkan zu einem einzigartigen, geschlossenen Soundtrack verbindet.
Ein wunderbares Schauspielerensemble hat sich für die Umsetzung des Stoffes unter der Leitung von Leonhard Koppelmann zusammengefunden, um diesen emotionsprallen Stoff zum Leben zu erwecken – unter anderen mit Christopher Nell (als der junge Christopher Isherwood), Mathieu Carrière (als sein älteres Autoren-Alter-Ego), Laura Maire (als Sally Bowles) und Barbara Philipp (als Fräulein Schröder).