TCB-Records "Once in a Lifetime" feat. Joey DeFrancesco
Heiß swingender Hardbop mit Joey DeFrancesco, dem neuen Meister der Hammond-Orgel, mit dem amerikanischen Star-Schlagzeuger Jeff Hamilton und mit der hr-Bigband unter Leitung von Jörg Achim Keller.
Einmal im Leben sollte sich jeder ordentliche Hammond-Orgel-Spieler eine CD mit Bigband gönnen. Jimmy Smith realisierte eine mit Oliver Nelson. Smiths Thronfolger als "König der Hammond", Joey DeFrancesco, spielte seine mit Jörg Achim Keller und der hr-Bigband ein.
"Ich traf Joey DeFrancesco zum ersten Mal, als er 7 Jahre alt war", verriet Jimmy Smith einmal in einem Interview. "Sein Vater stellte ihn mir vor und ich erkannte sofort: der wird einmal der Zweitbeste werden." Welch eine prophetische Gabe, und welch ein Mangel an Bescheidenheit! Dass ihm selbst, dem ungekrönten König der Hammond-Orgel, zu Lebzeiten irgendwer den Rang ablaufen könnte, war für Jimmy Smith schlichtweg undenkbar. Umso höher ist das folgende Statement von ihm zu werten: "Nach Joey kommt erst mal lange keiner; das ist die Wahrheit".
Tatsächlich: so wie Jazzhistoriker die Geschichte des Instruments in eine Zeit vor und eine Zeit nach Jimmy Smith einteilen, ist der neuerliche Orgel-Boom eng mit Joey DeFrancesco Namen verbunden. Die Energie seines Spiels, seine Virtuosität und Musikalität bewogen Stars wie John McLaughlin oder Lee Ritenour, den jungen Organisten zu engagieren und einem großen Publikum zu präsentieren. Und kurz bevor Jimmy Smith im April 2005 starb, spielte er höchstselbst eine gemeinsame CD mit DeFrancesco ein, übergab also gewissermaßen offiziell das Zepter an seinen wahren Erben.
Der erweist sich in dieser Produktion mit der hr-Bigband aller Ehren würdig. Von der Aufgabe des Bass-Spiels befreit – der Kontrabass von Thomas Heidepriem klingt schöner und ist agiler als jedes Basspedal – konzentriert sich der Organist auf sein Linienspiel und hebt dabei ein ums andere Mal regelrecht ab. Seine ungestüme Energie offenbart sich vielleicht am besten in "Once I Loved", das zu einem Bebop-Parforce-Ritt durch Jobims Changes gerät. Jeff Hamilton mit seinem gleichermaßen unaufgeregten und wie infektiösen Schlagzeugspiel schafft die ideale Grundlage für das Wechselspiel von Hammond-Orgel und Big Band.
Mal nimmt sich das Orchester zurück, um wie in "Meditation" den orchestralen Möglichkeiten der Orgel Raum zu geben, mal kommt es zum offenen Schlagabtausch, als sich etwa in "Sonnymoon for Two" eine mitreißende call-and-response-Passage zwischen Bigband-Kicks und Hammond-Licks entwickelt. Jörg Achim Keller findet in seinen Arrangements die richtige Balance, indem er dem Solisten Zunder macht, aber auch, wie etwa in der Ballade "I’m a fool to want you", den Mut zur Reduktion hat. In "Falling in Love" erlaubt er sich eine kleine nostalgische Referenz an die Zwanziger Jahre, als Friedrich Holländer diese Melodie unter ihrem hier zu Lande besser bekannten deutschen Titel komponierte: "Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt".
Die hr-Bigband profiliert sich zunehmend als polystilistisch bewanderter Klangkörper, der in Begegnungen mit Tango, Klassik oder Weltmusik ebenso zuhause ist wie in sämtlichen Spielarten des Jazz – mag es eine Referenz an den klassischen Bigband-Sound eines Duke Ellington sein, die Auseinandersetzung mit Ornette Colemans Freejazz oder eine inspirierte Bebop-Session mit dem neuen Herrscher der Hammond: Der König ist tot, es lebe der König!