ACT Out of the Desert - live
Ein mitreißender Konzertmitschnitt vom Jazzfest Berlin 2010 mit dem Joachim Kühn Trio und der hr-Bigband: das virtuos-beseelte Spiel von Joachim Kühn, die afrikanischen Klangfarben von Majid Bekkas und die Klangwucht der hr-Bigband ergänzen sich aufs Beste.
"Berlin ist immer was besonderes" sagt Joachim Kühn und erinnert an seinen ersten Auftritt bei den Berliner Jazztagen 1966: "... mit meinem Bruder Rolf und der Rhythmusgruppe von Mangelsdorff. Berlin war damals mein Sprungbrett in die große weite Welt des Jazz", resümiert er im Rückblick auf eine Karriere, die ihn von Berlin direkt zum Newport Jazzfestival führte, später nach Paris, wo er mit Daniel Humair und Jean-François Jenny-Clark über Jahrzehnte eines der maßgeblichen Trios des europäischen Jazz leitete.
Nach dem Fall der Berliner Mauer traf er, ausgerechnet in seiner Geburtsstadt Leipzig, Ornette Coleman, mit dem ihn seither eine musikalische Freundschaft verbindet. Die Liste der Kollegen von Weltrang, mit denen Kühn spielte und spielt, ist lang, aber er selbst ist einer der wenigen deutschen Weltstars des Jazz. Folgerichtig erhielt er im Juni dieses Jahres (gemeinsam mit seinem Bruder Rolf) den Echo Jazz, als Ehrung für sein außergewöhnliches Lebenswerk.
"Joachim Kühn wollten wir schon lange einladen, weil er einer der Großen ist", erzählt Olaf Stötzler, Manager der hr-Bigband. Mit dem marokkanischen Oud- und Guembri-Virtuosen Majid Bekkas und dem spanischen Schlagzeuger Ramon Lopez hatte Kühn nach dem Trio Debüt "Kalimba", das als "Pure Magie" (Jazzthetik) gefeiert wurde, 2009 Out Of the Desert" eingespielt, das den Preis der Deutschen Schallplattenkritik erhielt und "nie gehörte Klangbilder" (Kulturspiegel) entstehen ließ.
Und genau diesen "Wüstenjazz", der 2011 mit "Chalaba" in eine organisch, wuchtige und ungemein intensive Musik kulminierte, bot Stötzler Kühn an, in eine größere Dimension zu transponieren. Die afrikanisch inspirierten Improvisationen des Trios sollten mit der vielfarbigen Klangpalette der Bigband verschmelzen. Kühn war sofort begeistert mit dem Frankfurter Großensemble zu musizieren, da sie "mit Leib und Seele dabei sind".
Die Premiere fand 2009 beim Deutschen Jazzfestival Frankfurt statt. Das Publikum feierte die einzigartige Fusion stürmisch und die Frankfurter Allgemeine Zeitung staunte: "Wenn die kleinste musikalische Einheit des Grundtons und die größte formale Gestalt des Bigband-Arrangements zur Deckung kommen, dann gibt es dafür nur einen Ausdruck: ein Musikwunder." Das Projekt musste eine Fortsetzung finden, dass JazzFest Berlin war der ideale Schauplatz dafür. Am 6. November 2010 traf das Trio ein weiteres Mal auf die hr-Bigband. Erneut wurde das Konzert zu einem besonderen Höhepunkt. Was der Musikkritiker der FAZ bereits beim Premierenkonzert gehört hatte, belegt jetzt der Konzertmitschnitt "Out of the Desert live at JazzFest Berlin".
Obwohl das Projekt den Titel der gleichnamigen CD von 2009 trägt, finden sich hier nicht lediglich für Bigband arrangierte Versionen wieder, sondern neue Kühn Kompositionen, ausgehend von den Erfahrungen, die er damals in der nordafrikanischen Wüste gemacht hatte und mit den Musikern der hr-Bigband im Hinterkopf: "Beispielsweise Tony Lakatos und Julian Argüelles, das ist einfach Weltklasse, wie die beiden spielen. Und auch der Gitarrist Martin Scales und Axel Schlosser an der Trompete sind grandios."
Auf "Out Of The Desert live at JazzFest Berlin" überwältigen die arabesken Themen, die Kühn der hr-Bigband auf den Klangkörper geschrieben hat und die immer wieder Räume öffnen für Improvisationen des Trios oder die herausragenden Solisten des Ensembles: "Mich interessiert, wie eine Bigband eben nicht nach Bigband klingt", erklärt Kühn den Hintergrund seiner Arrangements. "Es ist eben Musik in einer größeren Besetzung, aber nicht dieser typische Bigbandsound".
Ebenfalls fasziniert die Intensität dieser guten Stunde Musik: Die Inspiration, die geradezu mit Händen greifbar scheint. "Am Abend vorher hatte ich noch mit Rabih Abou-Khalil in Lausanne gespielt", so Kühn. "Es war eine anstrengende Reise, ich hatte nicht geschlafen und war einfach ziemlich müde. Ich hatte überhaupt keine Zeit nachzudenken, aber das ist meistens für die Musik sehr gut" - wie "Out of the Desert live at JazzFest Berlin" eindrucksvoll beweist.